Montag, 14. Februar 2011

Berlinale 2011-1: Ausente

Über die Filme zu berichten, die mich nicht beeindruckt haben, ist mir die Zeit zu schade. Also folgen hier nur Besprechungen zu jenen, die mindestens ein "durchaus anschaubar" verdient haben.

AUSENTE (Absent), von Marco Berger - ARG 2011 (FORUM)

Ein Teenager sitzt auf der Bank in einem Schulschwimmbad. Er betrachtet seine Zehen, fährt sich immer wieder durchs Haar, später überprüft er mehrfach sein Aussehen im Spiegel. Es ist die Art von Selbstverliebtheit, die nur die Unsicherheit und die gleichzeitige Geltungssucht der Jugend hervorbringen kann. So ist sich der sechzehnjährige Martín, Schüler an einer Jungenschule in Buenos Aires, auch nicht im Klaren, was genau er da für seinen Sportlehrer Sebastian empfindet. Es äußert sich nur in einer Art bedrohlichem Verlangen, das von der fast schon "Psycho"-haften Thrillermusik untermalt wird.

Unter allerlei Vorwänden und einer gut ausgedachten Lügenkette schleicht er sich in Sebastians Wohnung ein. Martín flirtet mit ihm, kokettiert immer wieder mit der Tatsache, dass er unvorschriftsmäßig als Minderjähriger bei einem Lehrer übernachtet - sei es, indem ihm ganz aus Versehen das um die Hüfte geschlugene Handtuch just in dem Moment runterfällt, als die Nachbarin in der Tür steht oder indem er permanent lasziv und halbnackt auf dem Sofa hängt. Martín nutzt Sebastian für seine Spielchen aus und dieser will es zunächst nicht wahrhaben und sieht sich dem zunehmend hilflos gegenüber. Schließlich wird es Nacht, und, wie Martín später selbst sagt: "I thought maybe something would happen."

Dem jugendlichen Verlangen und rücksichtslosen Fordern, das Martín verkörpert, steht Sebastians abwehrende, stets auf die eigene Sicherheit bedachte Reserviertheit gegenüber, eine typisch erwachsene Eigenschaft. Und genauso auf ihre eigene Art rücksichtslos, wie Sebastian später - zu spät - erfahren wird. Denn auch wenn nicht in dieser Nacht und nicht das vermeintlich Erwartete geschient, es geschieht etwas. Es geht darum, dass manche Dinge einfach passieren und außerhalb unserer Kontrolle liegen. Und es geht um Vergebung.

Marco Bergers zweiter Langfilm dreht sich, wie auch sein Erstlingswerk "Plan B" (2009), um komplexe zwischenmenschliche Beziehungen und die sexuelle Identität, die sich daraus entwickelt und die bei ihm jedoch nie etwas Eingemeißeltes oder primär Definierendes ist. Javier de Pietro spielt Martín, das ewig lockende Babyface sehr überzeugend, v.a. wenn man bedenkt dass er zu dem Zeitpunkt schon 22 Jahre alt war. Ganz wunderbar ist jedoch Carlos Echevarria in seiner Rolle als Sebastian, der eigentlichen Hauptfigur. Er zeigt mit minimaler Mimik - ich habe mitgezählt: er lächelt im gesamten Film ganze zweimal - wie er sich von Martín auf unerklärliche Weise angezogen fühlt und dies zugleich verzweifelt abzuwehren versucht. Er senkt ganz leicht den Blick, wirft ihm garstige Worte an den Kopf, die er verschreckt wieder zurückholt. Das Zusammenspiel der beiden Hauptakteure macht denn auch die eingangs erwähnte und bisweilen anstrengende Musik allemal wett. Marco Berger ist es gelungen, die dunkle Seite des "Gefühls Jugend" in einen Film zu packen. Ja, er ist traurig, manchmal auch verwirrend, aber auch sehr warmherzig. Wie gesagt: die Jugend eben.

Also: sehenswert

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