Freitag, 7. Mai 2010

Vom Müssen und Menschen

Zufällig bin ich heute auf einen Kalenderspruch zum Tag der Arbeit gestoßen. (Das Original ist von Achtzehnhundertblumenkohl.)

"Das Achtstundenprinzip:
8 STUNDEN ARBEIT
8 STUNDEN MUSSE
8 STUNDEN SCHLAF"

Dabei ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, wie nahe doch die Worte "Muße" und "Muss/müssen" sind. Und prompt grüble ich, was wahre Muße ist - und dass ich mit Sicherheit nicht 8 Stunden pro Tag mit Muße verbringe, also das, was man heutzutage "Freizeit" nennt. Die offizielle, volkskundlich korrekte Definition von Freizeit lautet:
"Die Zeit, die einem Menschen frei zur Verfügung steht, vor allem im Vergleich zur Arbeitszeit".
Wichtig ist auch, dass Dinge die jeder ("normale") Mensch erledigen muss wie Kochen, Einkaufen, Putzen, Pendeln NICHT dazu zählen. So gesehen sind wohl die meisten Menschen froh, wenn sie auf nennenswert mehr als zwei, drei Stunden pro Tag kommen.

Auf einer Website der Uni Leipzig ist zu lesen, dass die 90er Jahre die "mußeorientierte Freizeitphase" waren, im Gegensatz zum Beispiel zur "erlebnis- dann konsumorientierten Freizeitphase" der 80er Jahre. Wie sieht es dann mit den Nullerjahren aus, und heute? Freizeit 2.0? Ich würde sagen: mussorientiert, zumindest was die intellektuelle Bohéme betrifft. Permanent "müssen" wir arbeiten (wer weniger als 50 oder gar 40 Stunden in der Woche arbeitet, scheint nichts wert zu sein), müssen was erleben, müssen an irgendwelchen Projekten feilen oder aber total dringend entspannen - man denke nur an das beknackte Wort "Powernapping".

Ein weiterer interessanter Fakt ist ja, dass Männer nachweislich besser sind im Nixtun. Sie sind schmerzfrei, wenn es darum geht, nach einem anstrengenden Arbeitstag alles von sich zu werfen und erst mal bei Bier und Musik Löcher in die Luft zu gucken. Frauen haben den Hang zum Hummeln-im-Hintern. Schnell die Wäsche rein (die man dann ja blöderweise irgendwann aufhängen muss), was Nettes zu essen, ach, du musst ja noch die Geburtstagskarte schreiben, usw. Der Muss zur Muße wäre hier bisweilen durchaus angebracht. Vielleicht ist es ja doch kein Zufall, dass "Muss" und "Muße" so nah beieinander stehen?

Doch, wie sollte es anders sein, die Trendwende naht. Die Generation Intellektuelle Bohéme hat, zumindest in Berlin, wieder Zeit - und anscheinend auch Geld - mit dem i-phone den halben Tag im Café herum zu sitzen und DIE ZEIT komplett (!) zu lesen. Und es ist ganz en vogue, nur vier Tage die Woche zu arbeiten, um mehr Zeit für Freunde und Familie zu haben. Ein sehr gesunder Trend, denke ich. Mit dem Deutschland übrigens mal wieder ganz schön spät dran ist im europäischen Vergleich.

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