Mittwoch, 16. Februar 2011

Berlinale 2011-2: Jodaeiye Nader az Simin

NADER AND SIMIN, A SEPERATION von Asghar Farhadi - IRAN-F 2011(Wettbewerb)

Wenn das Wort "Schmerz" je einen Film verdient hat, dann diesen.
Er beginnt mit dem Gerichtstermin, in dem Simin ein letztes Mal verzweifelt versucht, die Scheidung von ihrem Mann Nader durchzusetzen. Sie will auswandern, raus aus Teheran und dem Iran, sie hat auch schon alle Papiere zusammen, denn sie sieht für sich, vor allem aber für ihre elfjährige Tochter Termeh keine Zukunft in dem restriktiven Land. Doch Nader will bleiben, um seinen schwer altzheimerkranken Vater zu pflegen und willigt der Ausreise der Tochter nicht ein, die sich - vorerst - entschieden hat bei ihm zu bleiben.

Notgedrungen verlässt Simin ihre Familie - nur vorübergehend, was ihr Mann jedoch nicht weiß. Er muss nun eine Pflegehilfe für seinen Vater anstellen, Razieh, eine strenggläubige Muslimin, obendrein auch noch schwanger. Sie verheimlicht ihrem arbeitslosen Ehemann, dass sie bei einem alleinstehenden Mann arbeitet, und fragt sogar beim muslimischen Telefonnotdienst nach, ob sie den Vater berühren darf, als dieser sich eingenässt hat. Als sie ihn eines Tages, für ein paar Stunden nur allein lässt, fällt der bettlägrige Vater. Zwischen Razieh und Nader kommt es zum heftigen Streit, infolgedessen sie ihr Ungeborenes verliert. Und so nimmt das Unglück seinen Lauf, es kommt zum langen, unerbittlichen Rechtsstreit zwischend den beiden Familien. Doch womit hat es eigentlich angefangen? Damit, dass Simin auf ihre Trennung und Ausreise pochte? Oder dass Razieh Geheimnisse vor ihrem Mann hat, haben muss?

In dieser Familienfehde haben alle Recht, und doch sind sie auch alle im Unrecht und verstricken sich immer weiter in Lügen. Der schlimmste "Täter" jedoch ist der Staat, der stets über allen und allem schwebt und uns in jeder Szene begegnet: Wenn Razieh immer wieder mühselig den bleiern schweren Tschador zusammenrafft der nichts anderes ist als permanent im Weg; wenn der Richter willkürlich Strafen festsetzt, bevor er richtig zuhört; oder wenn Nader stur immer weiter versucht wenigstens seinen Stolz zu retten, da ihm sonst nichts mehr geblieben ist. Die Handlungen aller Figuren sind bis zur letzten Geste hundertprozentig nachvollziehbar, verständlich, so sehr, dass es schon wehtut. Und doch möchte man sie immer wieder an den Schultern packen und durchschütteln, allen voran Nader mit seiner endlosen Sturheit, die alles nur noch schlimmer macht. Peyman Moadi spielt den pragmatischen Ehemann und liebevollen Vater absolut herausragend. Ebenso wunderbar ist Sarina Farhadi als Termeh, die still alles erträgt und doch eigentlich die Einzige ist, die von Anfang an weiß, was das Richtige ist.

Bei allen politischen und moralischen Botschaften, die diesem Film immanent sind: Es ist und bleibt in erster Linie die großartig erzählte, perfekt inszenierte Geschichte einer zum Scheitern verdammten Ehe. Auch wenn Regisseur Farhadi seine Figuren wie beim Schachspiel geschickt, Zug um Zug in Richtung "Schachmatt" bewegt - er bleibt mit der Kamera und mit den Worten immer hautnah bei seinen Figuren. Nader und Simin sind fast nie gemeinsam im Bild, und wenn, dann von Glasscheiben und Türen getrennt. Und zugleich ist in jedem Blick Naders die Liebe zu seiner Frau zu sehen, die immer noch da ist - und in jedem Blick Simins die Verzweiflung darüber, dass Liebe allein nicht reicht, nicht unter diesen Umständen. Das Ganze kluminiert in der simplen wie grandiosen Schlussszene, die auf all die moralischen Fragen keine Antworten gibt. Und so bleibt die Trennung Nader und Simins Sinnbild eines zutiefst zerrissenen Landes.

hervorragend

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