Donnerstag, 17. Februar 2011

Berlinale 2011-3: Mabul

Mabul (The Flood) von Guy Nattiv, ISL 2010 (Generation K+)

Der zwölfjährige Yoni lebt mit seinen Eltern in Israel irgendwo auf dem Land und steht kurz vor seiner Bar Mitzwa. Er ist ein aufgeweckter, schlauer Junge, der gegen einen kleinen Obulus - "Freundschaftspreise", wie er sagt - täglich die Hausaufgaben von mindestens fünf Mitschülern erledigt. Das Geld investiert er in Proteinmittelchen, die er sich heimlich vom örtlichen Fitnessstudio besorgt. Yoni will endlich groß und stark werden, macht dafür täglich Glimmzüge und schreit sich an Felsklippen die Seele aus dem Leib, um endlich in den Stimmbruch zu kommen. Denn auf seine labile, mit Affären beschäftigte Mutter und dauerbekifften Vater kann er sich nicht verlassen.

Doch dann kommt ganz plötzlich Tomer nach Hause, Yonis älterer Bruder. Er bringt das ohnehin labile Gleichgewicht der Familie völlig durcheinander, denn er ist schwer autistisch. Die Mutter gibt sich Mühe mit ihm, ist jedoch völlig überfordert, der Vater klinkt sich vollends aus. Und Yoni kann seinen Bruder nicht akzeptieren, fährt ihn und seine Mutter immer wieder harsch an. Zu groß ist seine Angst vor dem Gerede im Dorf, mit dem "Irren" in einen Hut gesteckt zu werden. Doch mit der Zeit findet Yoni als Einziger Zugang zu Tomer: Indem sich die beiden auf eine gemeinsame Sprache einigen, nämlich die der Tora, der Passagen über Noah und die Sintflut, die Yoni für seine Bar Mitzwa auswendig lernen muss. Allerdings fängt Tomer irgendwann an, für seine Arche, ein altes Ruderboot im Schuppen, Tiere zu sammeln. Was mit dem heimischen Kaninchen und den Käfern aus dem Garten noch unproblematisch ist, führt zum Dorfeklat, als er sich an die Hühner der örtlichen Legebatterie ranmacht. Spätestens als sein Loser-Vater hinter seinem Rücken aus finanziellen Gründen die Bar Mitzwa-Feier absagen will wünscht sich Yoni die sprichwörtliche Sintflut herbei, die alles wegschwemmt ...

Mit "Mabul" ist Guy Nattiv ein wunderbarer, warmherziger Jugendfilm gelungen. Sehr geschickt und in schlicht-schönen Bildern erzählt er das Familiendrama aus der Sicht des Jungen (Kamera auf Brusthöhe & fast nur natürliches Licht!). Nattiv stellt sich ganz klar auf seine Seite und entblößt die mit sich selbst beschäftigten Erwachsenen als die eigentlichen "Autisten". Denn so sympathisch und liebenswert Vater und Mutter sind und ihre Unfähigkeit nur allzu menschlich, man möchte sie packen und anschreien: "Jetzt schaut doch mal auf Yoni!!" Es ist herzzerreißend, wie er als Einziger ernsthaft versucht mit der Situation klar zu kommen, obwohl er doch das "Kind" ist, das Zwendung braucht, mindestens so wie Tomer. Yoav Rotman ist als der fröhliche, manchmal fast etwas altkluge Yoni absolut überzeugend. Erfrischend auch, dass man endlich mal einen israelischen Film zu Gesicht bekommt, der weder in Tel Aviv noch in Jerusalem noch in irgendwelchen hart beschossenen Grenzgebieten spielt. Sondern einfach in einem ganz normalen, friedlichen Dorf am sonnigen Strand.

wundervoll

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