Freitag, 18. Februar 2011

Berlinale 2011-4: Stadt Land Fluss

Stadt Land Fluss (Harvest) von Benjamin Cantu, DEU 2010 (Generation 14+)

Der 19-jährige Marko arbeitet als Azubi in einem großen Agrarbetrieb Jänickendorf, 60 Kilometer südlich von Berlin und steht kurz vor seinem Abschluss zum Landwirt. Was allerdings danach kommen soll, weiß er nicht. Er macht seine Arbeit gut, doch der echte Wille und Enthusiasmus fehlen ihm. Was auch seiner Ausbildungsleiterin Frau Butsche aufgefallen ist, die seinen Zustand der spätpubertären Ziellosigkeit mit "Wollen kommt nicht von Wolle" trocken kommentiert. Immer noch hadert Marko mit seiner Vergangenheit: aufgewachsen ohne Vater, bei einer alkoholkranken Mutter vor der er schließlich mit 15 weggelaufen ist.

Eines Tages taucht Jakob auf dem Hof auf, der scheinbar in einer ähnlichen Phase der Planlosigkeit steckt wie Marko. Er hat seine Banklehre abgebrochen und will mit dem Praktikum herausfinden, ob die Landwirtschaft etwas für ihn ist. Schnell findet er Anschluss bei den anderen Lehrlingen und auch seinen Vorgesetzten, allen voran die resolute Landwirtin Frau Thymian nimmt ihn unter ihre Fittiche. Nur Marko bleibt anfangs auch ihm gegenüber verschlossen, bis sich die beiden sich irgendwo zwischen Mähdrescher, Melkmaschine und Möhrenvereinzelungsanlage näherkommen. Bei einem Spontanausflug nach Berlin verlieben sie sich endgültig ineinander. Doch keiner der beiden weiß wohin, wenn überhaupt, diese Reise zu zweit gehen soll - sie wissen ja nicht einmal, wohin sie selbst wollen.

"Ich habe Leute bei der Feldarbeit gesehen und mir gesagt, ich will einen Film über Erde drehen", erzählte Cantu im Anschluss an die Vorführung. Das Spannende an diesem Projekt: Von den beiden Hauptdarstellern abgesehen wirken ausschließlich Leihendarsteller mit. Mama Butsche, Trekkerfahrerin Thymian und all die anderen kernigen Figuren arbeiten tatsächlich in Jänickendorf. Auch die landwirtschaftlichen Szenen sind größtenteils improvisiert, was dem Ganzen streckenweise einen dokumentarischen Charakter verleiht. Sicherlich gehen die manchmal etwas blassen Hauptfiguren bei all den schrulligen brandenburger Schnauzen fast etwas unter. Doch das schadet dem Film kaum und ist vielleicht sogar vom Regisseur so gewollt - und vor allem bisweilen zum Brüllen komisch. Denn, wie Eingangs erwähnt, ist die eigentliche Hauptfigur das Gefühl "ich fühl mich so leer, ich fühl mich Brandenburg" das Cantu geradezu respektvoll in wunderschöne Bilder fasst. So sehr, dass man direkt nach dem Kino in den Regionalexpress nach Cottbus einsteigen möchte (na ja, jedenfalls im Sommer).

sehenswert

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